Der Übergang zum Tonfilm: Die goldenen Jahre der Tempelhofer Ateliers
21.12.2023
Nach dem explosiven Debut des Stummfilms Anfang des letzten Jahrhunderts stehen die zwei gewächshausähnlichen Gebäude der Oberlandstraße im Mittelpunkt der deutschen Filmproduktion. Sie werden am Ende des ersten Weltkriegs von der Universum-Film AG (Ufa) aufgekauft und nehmen eine so prominente Rolle ein, dass sogar Friedrich Ebert ihnen 1920 einen Besuch abstattet. Man bedenke, in demselben Jahr gibt es 510 deutsche Uraufführungen!
Die Produktionen der Oberlandstraße schaffen es in diesen Jahren sogar bis in die USA. Unter jenen erfolgreichen Titeln zählt man unter anderem „Anna Boleyn“ von Ernst Lubitsch oder „Der Golem, wie er in die Welt kam“ von Paul Wegener. Auch Kameramann und Filmregisseur Karl Freund ist in den Ateliers südlich des Tempelhofer Felds zugange. Mit seiner „entfesselten Kamera“ – einer Kamera, die sich frei durch Räume bewegen kann – prägt er kommende Generationen von Regisseuren auch über Deutschland hinweg.
Kaum wundert es einen, dass in diesen Hochzeiten des deutschen Films auch große britische Namen in der Oberlandstraße auftauchen. Mitte der 1920er ist dort zum Beispiel kein anderer als Alfred Hitchcock. Zu dem Zeitpunkt noch recht unbekannt, ist sein großes Talent in den Augen der Filmillustrierten „Lichtbild-Bühne“ schon damals erkennbar. Nur wenige Jahre später ist auch Edgar Wallace, der als Erfinder des modernen Thrillers gilt, zur Verfilmung seines Krimis „Der rote Kreis“ in Tempelhof.
Zunehmend starke in- und ausländische Konkurrenz
Doch ebenso schnell wie der Ruhm der Ateliers in der Oberlandstraße, kommt auch ihr allmählicher Abgang. Die großen Namen der Filmindustrie zieht es vermehrt in die USA, wo Hollywood sich zunehmend als Filmgigant etabliert. Lubitsch und Freund, aber auch Berliner Schauspielerin Marlene Dietrich machen dort alle Karriere.
Auch innerhalb der Republik bekommen die Tempelhofer Studios Konkurrenz. 1921 integriert die Ufa die Neubabelsberger Studios. Dort entwickelt sich Mitte der 1920er Jahre ein 8000 Quadratmeter-großes Atelier, mit dem jene der Oberlandstraße nicht mithalten können. Weitere solche Riesenstudios entstehen zu dieser Zeit auch in kleineren Städten, wie Johannisthal oder Staaken.
Zu laut für den neuen Tonfilm
Als problematisch entpuppen sich gegen Ende des Jahrzehnts die Nähe der Ringbahn und der an der Oberlandstraße angrenzende Flughafen. Der Grund dafür? Die Erfindung des Tonfilms, für den es ruhige Bedingungen braucht.
Bei dem Umstieg von Stummfilm auf Tonfilm hinkt die Ufa generell hinterher, doch als sie dann doch damit beginnt, stehen die Neubabelsberger Studios im Fokus. 1930 sind dort neun Ateliers für die Tonfilmproduktion ausgestattet. Währenddessen werden die zwei Tempelhofer Glashäuser an ausländische und weibliche Produzent:innen vermietet.
Nichtsdestotrotz – und mehr schlecht als recht – werden allerdings auch hier schon Ende der 1920er Jahre die ersten Tonfilmproduktionen gedreht. Nennenswert ist zum Beispiel von Bolváry’s „Zwei Herzen im ¾ Takt“, eine Tonfilmoperette die 1930 erscheint.
Erst 1931 startet dann der Umbau auf den Tonfilm in der Oberlandstraße. Die Glashäuser müssen schalldicht gemacht werden: um den Glasbau muss eine Art Mantelhalle aus Stahl, Beton und Ziegeln gebaut werden, und das Dach muss mit einer weichen, geräuschdämmenden Schicht versehen werden. Das kostet die Ufa 280.000 Reichsmark – welche heute etwa 1,2 Millionen Euro entsprechen.
Ein durchwachsener Ausblick
Trotz des Umbaus ist es der Beginn einer düsteren Zeit für die Ateliers der Oberlandstraße. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten vermehrt sich die Auswanderung der Produzent:innen, Schauspieler:innen, und Regisseur:innen. In 1937 wird die Ufa dann von der Partei aufgekauft und ist wie allerorts von der Gleichschaltung und Filmzensur betroffen. Auch die Bombardierung im zweiten Weltkrieg ab 1943 richtet auf dem Ateliergelände Schaden an.
Die nächsten großen Meilensteine können die zwei Filmproduktionsstätten erst nach dem Ende des Krieges fortsetzen. Synchron-Studios und TV-Produktionen, mit Dauermietern wie dem ZDF.
"Ich kam in Berlin an und konnte kein einziges Wort Deutsch. Mein Job war Art Director, und ich arbeitete Seite an Seite mit einem deutschen Zeichner. Wir konnten uns nur mit dem Bleistift verständigen, indem wir Dinge zeichneten, damit wir uns gegenseitig verstehen konnten. Wir haben beide Titel und Kulissen entworfen, und schließlich war ich gezwungen, die Sprache zu lernen."
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Alfred Hitchcock, am Set von The Blackguard, gedreht in den UFA-Studios